Es ist ein wunderschönes Buch, dessen Fotos von einem derberühmtesten Gartenfotographen der Vereinigten Staaten angefertigt wurden. DieBilder von Gottlieb Hampfler sind bezaubernd, und zwar so bezaubernd, dass dieNegative heute als Kostbarkeit im Smithsonian Institute aufbewahrt werden. DieserGottlieb Hampfler fotografierte in den 1960er Jahren die Gärten von Winterthur.Dafür musste er nicht einmal über den großen Teich fahren: denn Winterthurliegt in Delaware.
Warum Winterthur in Delaware liegt
Aber von Anfang an. Dafür müssen wir ins Jahr 1811zurückgehen. Damals wunderte sich Jacques Bidermann, dass eine vielversprechendePulverfabrik in Delaware keinen Gewinn abwarf. Bidermann lebte davon, solcheFragen zu stellen. Er war ein Pariser Investor mit französisch-schweizerischenWurzeln. An der besagten Pulverfabrik gehörten ihm 30%, weil er einemhugenottischen Geschäftsfreund nach dessen Flucht vor den Jakobinern 12.000 $für einen Neustart geliehen hatte. Der Financier Bidermann konnte sich dasleisten. Er griff auch der Französischen Republik unter die Arme, mit sechsMillionen Francs.
Jacques Bidermann hatte einen Sohn, den er lieber nicht inden Wirren der Französischen Revolution aufwachsen ließ. Er schickte ihn inseine Schweizer Heimat nach Winterthur. Dort verlebte der kleine Antoine eineidyllische Kindheit. Winterthur war damals eine vielversprechende Stadt, diesich erst darauf vorbereitete, zur Industriestadt zu werden. 1800 wurden dieSchanzen geschleift. Der kleine Antoine erlebte mit, wie schnell dieFabrikhallen die friedlichen Auen seiner Kindheit verdrängten.
Als Papa Bidermann 1811 über die Pulverfabrik nachdachte,war Antoine schon längst nach Paris zurückgekehrt und hatte eine Ausbildung alsKaufmann absolviert. Sein Vater schickte ihn nach Delaware, um die Lage vor Orteinzuschätzen. Antoine realisierte, dass ein weiterer Mitbesitzer Papas alten GeschäftsfreundÉleuthère Irénée du Pont verdrängen wollte. Antoine zahlte den Intriganten aus,stieg stattdessen selbst in die Geschäftsleitung ein und heiratete die hübscheTochter von Éleuthère du Pont.
Zusammen mit seinem Schwiegervater baute Antoine Bidermann inden kommenden Jahrzehnten die Pulverfabrik zum größten amerikanischenHersteller von Schießpulver aus. Sie lieferte der US-Regierung das Pulver, das amerikanischeTruppen im Krieg gegen Mexiko verschossen. Der Krimkrieg brachte potente Kundenin ganz Europa. Und im Amerikanischen Bürgerkrieg kam ein Drittel des Pulvers derUnionstruppen von du Pont & Co.
Zu diesem Zeitpunkt hatte Antoine sich schon längst zurückgezogen.Zu diesem Zweck hatte er im nordwestlichen Delaware ein großes Stück Landgekauft. Dort errichtete er nicht nur eine riesige Villa, sondern legte aucheinen beeindruckenden Garten mit Musterfarm an. In Erinnerung an unbeschwerteKindheitstage nannte er seinen Besitz Winterthur.
Wie Winterthur ein Museum wurde
1865 starb Antoine Bidermann. Sein Geschäftspartner du Ponterwarb den Besitz von den Erben. Villa und Garten blieben mehr als einJahrhundert im Familienbesitz, bis Henry Francis du Pont, der eine gewaltigeSammlung von frühen amerikanischen Möbeln und Gemälden aufgebaut hatte, darausein Museum machte. Teil des Museums wurde der prächtige Garten, der heuteHöhepunkt jedes Besuchs ist. Er umfasst mehr als 28 Hektar resp. knapp 40Fußballfelder. In zwölf Gewächshäusern erlebt man die verschiedenen Klimazonenund ihre Gewächse. Last but not least gibt es in Winterthur immer noch die vonAntoine Bidermann angelegte Musterfarm. Inzwischen ist sie berühmt für ihreZucht von prämierten Holsteiner Rindern.

Der Garten, das Buch und eine Schweizer Druckerei
Die Schönheit dieses unvergleichlichen Gartens einzufangen,das war das Anliegen von Gärtner und Fotograph Gottlieb Hampfler. Seine Fotoswurden zum Ausgangspunkt für einen Bildband, dessen Texte Autoren lieferten,die eng mit den Gärten des Museums Winterthur verbunden waren: Gordon Tyrellund Harold Bruce. Sie fanden einen Herausgeber in dem Verlag Chanticleer Press,der sich auf Bildbände zur Kunst und zur Natur spezialisierte. Dafür brauchte dieserVerlag eine Druckerei, die die von ihm geplanten Bildbände trotz großerAuflagen in hervorragender Qualität kongenial umsetzen konnten.

Das technische Knowhow von Conzett & Huber, die mitihren modernen Offset-Pressen bei hohen Auflagen sehr kostengünstig, schnellund qualitativ hochwertig drucken konnten, hatte sich bei nach Amerika herumgesprochen.So wurde Conzett & Huber ein Geschäftspartner der Chanticleer Press, dermehrere Bücher in deren Auftrag produzierte.
Und sokam es, dass ein amerikanisches Buch über einen amerikanischen Garten, der denNamen der Schweizer Stadt Winterthur trägt, in Zürich gedruckt wurde. DemWeltbürger Antoine Bidermann hätte das sicher gefallen.
Hier geht es zum MuseumWinterthur.
1968, als das Buch entstand, konnte es sich kaum jemand leisten,nach Delaware zu reisen. So machte ein Bildband die Schönheit des Gartensbekannt. Auch heute liegt Delaware eher abseits touristischer Pfade. Wie schönes dort ist, wird nicht mehr im Print, sondern aufYoutube gezeigt.
Mein Favorit: Die Azaleen.